Impuls zu Ostern (12. April)
Ostern – schon heute und jetzt Das erste Osterfest ohne Gottesdienst. „Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Dieser gemeinsame seit Jahren den Ostergottesdienst einläutende Ruf hallte diesmal nicht durch unser Gotteshaus. Auch wenn der Ruf nicht zu hören war, ändert es nichts an den Realitäten: Christus ist auferstanden! Er lebt! Mitten unter uns! Wer in den letzten Wochen den Blick nicht nur um sich selbst kreisen ließ, sondern über den „Tellerrand“ seiner eigenen Sorgen und Ängste hinausschaute, dem ist sicher das eine oder andere aufgefallen, was im Sinne des auferstandenen Christus geschieht und damit „Osterluft“ atmet. Einige Beobachtungen aus meiner Sicht:
- Das Leben entschleunigt sich. Von gefühlten 120 auf Schritttempo. Für viele anfangs ärgerlich, weil sie sich unvermittelt ausgebremst fühlten. Inzwischen reifte bei manchen die Erkenntnis, nun endlich ohne persönliche Anstrengung und eigenes Zutun „quasi“ geschenkt zu bekommen, worum sie sich in der Vergangenheit vergeblich bemühten: irgendwie das gefühlte Hamsterrad verlassen zu können. Nehmen wir die darin enthaltende Chance wahr, um bewusst einigen wichtigen Lebensfragen nachzuspüren. Worauf baue ich mein Leben? Wie tragbar ist mein Lebensfundament? Trägt es mich auch durch diese Krise? …
- Politische Gräben stehen nicht mehr so offensichtlich im Mittelpunkt. Der grenzüberschreitende Virus lässt Politiker über Grenzen hinweg aufeinander hören und führt zumindest in manchen Entscheidungen zum gemeinsamen Handeln. Ich nehme dankbar zur Kennt-nis, wie in unserem Land Politiker parteiübergreifend gemeinsam denken, entscheiden und handeln.
- Viele Menschen setzen sich für uns ein. Dabei gehen sie oft genug über ihr Limit (Pflegepersonal, Ärzte u. u. u.)
- Firmen und Betriebe richten teilweise ihr Augenmerk weg vom Profit hin zum Menschen. Sie suchen nach Wegen, um Angestellte nicht entlassen zu müssen.
- Menschen nehmen einander anders wahr. Ehepartner und Familien begegnen sich vermehrt auf neue Weise. Erkennen vielleicht, wo sie sich längst aus dem Blick verloren hatten, an welcher Stelle sie in ihrer Beziehung stehen, wie belastbar diese ist oder auch nicht.
- Menschen werden dankbar. Für Dinge, welche bisher ganz selbstverständlich waren und einfach so hingenommen wurden, werden Menschen plötzlich dankbar. Der eine oder die andere erkennt vielleicht auch inzwischen, dass für drei Monate ausreichendes Toilettenpapier das Leben nicht sichern kann.
- Und schließlich geschieht zumindest punktuell das, was unser menschlicher Egoismus bisher sehr erfolgreich vereiteln konnte: Die Umwelt bekommt ein bisschen Atempause: Der PKW-Verkehr hat stark abgenommen. Ich sehe kaum noch Flugzeuge, die ich sonst im 30-Sekundentakt sehen konnte.U. u. u.
- …
Trotz dieser positiven Erfahrungen ist die Luft geschwängert mit Angst und Zukunftssorgen. Mitten in dieser Zeit feiern wir das Osterfest. Das Fest der Auferstehung. Das Fest des Sieges Gottes über den Tod. Nein, Gott ist nicht von unserem Tun und Lassen abhängig. Ostern findet statt. Ostern ist Gottes Handeln – ob es in unsere Lage passt oder nicht, ob es uns passt oder nicht. Gott ist nicht darauf angewiesen, dass wir seine uns anvertraute Welt in Ordnung gebracht oder unser Leben vorher halbwegs aufgeräumt haben, um sein österliches Handeln in die Welt zu pflanzen. Gott handelt. Er nimmt dem Tod das Leben, um Toten neues Leben zu geben – ewiges Leben.
Um zu handeln braucht Gott unsere Vorbereitungen nicht. Er greift von außen ein, schafft die Voraussetzung zur Entstehung neuen Lebens mitten in der Todeszone. Nicht die Menschheit, aber einzelne Menschen werden heil. Und nur durch heile Menschen kann die Welt heiler werden. Ostern ist mittendrin in unserem Leben – und wird es bleiben.
Die Frage ist allerdings: Bleibe ich mittendrin in Ostern? Bin, werde und bleibe ich ein Ostermensch? Lass ich mich immer wieder neu aus meinen eigenen Grabkammern von Gott zur „Auferstehung“ rufen?
Mein Verständnis der Ostergeschichten in den Evangelien erweiterte sich schon vor langer Zeit. Verstand ich früher die Erzählungen von der Auferstehung Jesu als historisches Zeugnis zur Stärkung meines Glaubens und als zukünftige Hoffnung auf ein Leben nach dem biologischen Tod in der ewigen Gottesgemeinschaft, so begreife ich sie zunehmend auch als Aufforderung, schon hier und heute im alltäglichen Leben „Auferstehung“ real zu erfahren.
Weil Christus auferstanden ist, darf auch ich immer neu „auf-er-stehen“:
- aufstehen, wenn ich „gefallen“ bzw. schuldig geworden bin
- aufstehen aus Sorge und Angst, die mich immer wieder überfallen – auch im Hinblick auf die Zukunft
- aufstehen aus Resignation, die mich in die Verzweiflung treiben will, wenn der Winter meine Seele nicht loslassen möchte
- aufstehen und meinen Sehnsüchten auf die Spur kommen
- aufstehen und das Kreisen um mich selbst verlassen
- u. u. u.
Wo ist für Dich heute Auferstehung angesagt? Auferstehung ist möglich – der Auferstandene selbst kann und will uns dabei helfen. Weil Christus auferstanden ist von den Toten, darf ich heute und morgen immer neu „auferstehen“ und so manches Tote in meinem Leben hinter mich lassen in der Gewissheit, dass der Tod weder im geistlichen noch biologischen Sinne den Sieg davontragen wird. Feier Ostern in Deinem Leben mit Jesus Christus! Stehe auf mit der Kraft des Auferstandenen!
„Manche Leute behaupten, es gebe kein Leben nach dem Tod“, sagte ein Schüler. „Tun sie das?“, fragte der Meister unverbindlich. Schüler: „Wäre es nicht furchtbar zu sterben, ohne jemals wieder zu sehen, zu hören, zu lieben oder sich zu bewegen?“ Der Meister erwiderte: „Findest du das furchtbar? Das ist doch bei den meisten Menschen so, noch bevor sie gestorben sind.“ (nach Anthony de Mello 1931-1987)
„Ihr fragt wie ist die Auferstehung der Toten? Ich weiß es nicht.
Ihr fragt: wann ist die Auferstehung der Toten? Ich weiß es nicht.
Ihr fragt: Gibt’s eine Auferstehung der Toten? Ich weiß es nicht.
Ihr fragt: Gibt’s keine Auferstehung der Toten? Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur, wonach ihr nicht fragt: Die Auferstehung derer die leben.
Ich weiß nur, wozu ER uns ruft: Zur Auferstehung heute und jetzt.“
(Kurt Marti)
Johannes Rosemann
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