Impuls zum 19. Juli
Zwischenruf vom Ehemaligen…
„Ich bin dann mal weg…“
so sagten viele Menschen salopp mit dem Bestsellertitel von Hape Kerkeling in den letzten Jahren, wenn der Urlaub begann und sie verreisten. Die Schulferien haben in Berlin längst begonnen. Und auch Menschen, die nicht auf die Schulferien angewiesen sind, zieht es in den Sommermonaten meist in die Ferne. Aber in diesem Jahr verabschieden sich wahrscheinlich entschieden weniger Menschen als sonst in einen Auslandsurlaub.
Wir – ich und meine Frau – hatten in diesem Jahr eine Radtour von Berlin nach Kopenhagen geplant. Nicht nur wegen Corona, vor allem aus familiären Gründen haben wir sie „gekänzelt“. Urlaub – wie sonst gewohnt – fällt für uns in diesem Jahr quasi aus. Und nicht nur für uns. Sicher teilen wir dieses „Los“ mit vielen anderen Menschen. Ferne oder auch weniger ferne Länder werden gemieden – oder können gar nicht besucht werden.
„Corona“ hat so manches verändert. In diesem Jahr ist für sicher nicht wenige Menschen Urlaub auf „Balkonien“, im eigenen Garten oder zumindest innerhalb Deutschlands angesagt. Da mag ein bisschen Wehmut mitschwingen, zumal ja auch in Deutschland einiges anders ist, als im vorigen Jahr.
Wie geht es Dir/Euch damit? Ist das „Glas halb voll“ oder „halb leer“? Ich entscheide mich bewusst für das halbvolle Glas. Mir persönlich hilft dabei der Blick auf Menschen, die unter den Einschränkungen der Pandemie gar keine „Urlaubsbeschränkung“ erleben. Menschen, die sich aus finanziellen Gründen oder auch krankheitsbedingt in den letzten Jahren vielleicht nie einen Urlaub außerhalb von „Balkonien“ leisten konnten.
Außerdem kann ein Urlaub in der Region „Deutschland“ genauso erholsam sein, wie an jedem anderen Ort auf der Weltkarte. Auch zu Hause – allerdings nur mit entsprechender Disziplin, indem man sich selbst verbietet, all das aufzuarbeiten, was sich so im Laufe des Jahres angehäuft hat 😉
Wenn uns bewusst wird, wie gut es den meisten unter uns trotz Pandemie wirtschaftlich immer noch geht (sicher nicht jedem!), haben wir viel Grund, unserem Gott zu danken.
Der Satz „Ich bin dann mal weg“, steht aber auch für ein Verhalten, das sich – für mich zumindest gefühlsmäßig – als Lebenseinstellung scheinbar immer mehr verbreitet. Immer häufiger auftretende Redewendungen zeigen mir dies signifikant: „Ich habe keine Lust mehr.“ „Das muss ich mir nicht antun.“ „Die andern werden schon sehen…“ „Ich mach‘ die Fliege!“
Täuscht mich die Wahrnehmung, dass dieses „Ich bin dann mal weg…“ auch in unserer Gemeinde zu beobachten ist? Wenn ich den unter Auflagen stattfindenden Gottesdienst besuche, zähle ich meist nur um die 40 Personen. Platz wäre (unter Einhaltung des Mindestabstandes) sicher für ungefähr 50-60 Personen.
Ca. zwei Monate „Gottesdienstabstinenz“ sowie keinerlei gemeindliche Aktivitäten bzw. gemeinschaftliche Berührungspunkte scheinen vermutlich schnell zu einem „Gewöhnungseffekt“ zu führen: Anfangs „durfte“ ich nicht zum Gottesdienst gehen (weil er gar nicht stattfand), dann wollte ich nicht, weil die Einschränkungen (Maske, Abstand) mir zu viel abverlangten. Oder ich hatte Angst, mich zu infizieren. Oder mir fehlte die Gemeinschaft (gemeinsames Singen, Kirchenkaffee etc.). Und jetzt will ich nicht mehr, weil ich eigentlich nichts vermisse. Deshalb lasse ich es sein.
Ohne es selbst vielleicht bewusst wahrzunehmen, hielt die schleichende Gewöhnung der Gottesdienstabstinenz Einzug ins Leben mit dem Resultat: Ich brauche den Gottesdienst eigentlich nicht (mehr).
Für einen Menschen, für den der Besuch des Gottesdienstes durch „Gewinn“ („Was bringt es mir“) geprägt war bzw. ist, scheint dies die logische Konsequenz. Aber vielleicht ist der Sinn und Zweck des „Gottes-Dienstes“ eben nicht nur, dass Gott und Menschen mir dienen, sondern auch ich Gott!?
Meinen persönlichen Gottesdienstbesuch versuche ich so zu verstehen. Unabhängig davon, wer gerade predigt, moderiert usw. Auch wenn die Predigt mich nicht „anspricht“ – was immer wieder vorkommt – die Gemeinschaft mit Gott selbst im Zusammensein mit seiner „Familie“ ist mir wichtig. Für mich ist entscheidend, mit welcher Einstellung ich in den Gottesdienst gehe. Meine innere Einstellung entscheidet darüber, ob am Ende in mir Frust oder Dankbarkeit entstehen.
Einzelne in unserer Gemeinde investieren gerade in dieser jetzigen Zeit mehr an Zeit für die Gemeinde, als vorher, um Gottesdienste in der jetzigen Form wieder zu ermöglichen. Herzlichen Dank an euch!
Unabhängig von unseren Lebenslagen und Gefühlen gilt Gottes Zusage trotzdem für einen jeden, der sie ernst nimmt: „Fürchte dich nicht, ich habe dich befreit, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir“. (Jesaja 43, 1)
Bei dieser Aussage handelt es sich um ein liebevolles großes Versprechen Gottes. Unabhängig von Zeit, von Glaube oder Unglaube, und schließlich auch unabhängig von unserer Lust und Laune gilt diese Zusage: „Ich kenne dich. Ich bin bei Dir. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Hab‘ Vertrauen zu mir“.
Dieser Zuspruch Gottes tut gut. Er ist für mich wie ein Geländer, das mir Zuversicht und Halt gibt – auch in meinen Enttäuschungen über Menschen innerhalb und außerhalb unserer Gemeinde und auch über mich selbst.
Dieser Zuspruch Gottes gilt uns Christen – uneingeschränkt.
Und vielleicht ist dieses Versprechen, dieser Zuspruch Gottes, für die eine oder für den anderen auch Erinnerung und Motivation, nach längerer Zeit wieder „aufzutauchen“: „Ich bin wieder da…“.
Bin gespannt, wie oft mir dieser Satz in den nächsten Wochen begegnen wird 😉
Johannes Rosemann