Impuls zum 19. April

Letzten Sonntag feierten wir das Fest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Sein Tod und seine Auferstehung bilden die Mitte des christlichen Glaubens. Der Apostel Paulus schreibt: „Ist Christus nicht auferstanden, ist unser Glaube sinnlos.“ (1. Korinther 15) Das ist auch meine Überzeugung. Weil Christus auferstanden ist, glaube ich auch an meine Auferstehung. Ist dies eine Hoffnung, die sich erst nach dem Tod erfüllt? Oder können wir Auferstehung auch jetzt,heute, hier erfahren – mitten im Leben, mitten in der weltweiten Viruskrise? Für die meisten Menschen ist Ostern sicher schon wieder Vergangenheit. Zwei zusätzlich freie Tage bei schönstem Frühlingswetter, nicht mehr. Laut Kirchenjahresordnung ist das Osterfest viel mehr. Es ist nach dem Ende der 40tägigen Fastenzeit der Beginn einer fünfzig Tage währenden österlichen Freudenzeit, die mit dem Pfingstfest ihren Abschluss findet. Ostern hat also erst begonnen! Das ermutigt mich, in den nächsten Wochen nach „Auferstehungserfahrungen“ zu suchen. Das möchte ich anhand biblischer Impulse tun und jeden Leser dazu einladen. …  
Lukas schildert im 24. Kapitel seines Evangeliums, wie der Osterglaube allmählich beginnt zu wachsen: „Doch am ersten Tag der neuen Woche nahmen sie in aller Frühe die Salben, die sie zubereitet hatten, und gingen damit zum Grab. Da sahen sie, dass der Stein, mit dem man den Eingang des Grabes verschlossen hatte, weggewälzt war. Sie gingen in die Grabkammer hinein, aber der Leichnam von Jesus, dem Herrn, war nirgends zu sehen. Während sie noch ratlos dastanden, traten plötzlich zwei Männer in hell leuchtenden Gewändern zu ihnen. Die Frauen erschraken und wagten nicht aufzublicken. Doch die beiden Männer sagten zu ihnen: »Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier; er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: ›Der Menschensohn muss in die Hände sündiger Menschen gegeben werden; er muss gekreuzigt werden und wird drei Tage danach auferstehen.‹« Da erinnerten sich die Frauen an jene Worte Jesu. Sie kehrten vom Grab ´in die Stadt` zurück und berichteten das alles den elf Aposteln und allen anderen Jüngern.“ (Lukas 24, 1-9)

Frauen waren es, die auch im Sterben Jesu bei ihm geblieben sind. Frauen haben ausgehalten. Sie waren dabei, als er starb – ihr Herr und Meister. Wie in Trance sind sie Josef aus Arimathäa hinterhergetrottet, der mit Freunden den Leichnam Jesu vom Kreuz abnahm und ihn in seinem Felsengrab beerdigte. Dort haben sie Jesus zum letzten Mal gesehen, in diesem Felsengrab. Ihre Füße haben sie getragen – immer hinter dem toten Jesus her. Irgendwie wollten sie ihn festhalten. Aber Tote kann man nicht festhalten. Sie sind Gefangene ihrer verzweifelten Trauer. Jetzt, am Morgen wollen sie ihm die letzte Ehre erweisen, den toten Körper einbalsamieren – so, wie es sich gehört. In der „Wohnung des Todes“ begegnen ihnen zwei Männer. Statt mitfühlender Trostworte hören sie eine sehr provozierende Frage: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“

Wenn wir etwas verloren haben, wo fangen wir an zu suchen? Die Frauen suchen Jesus dort, wo sie ihn zuletzt gesehen haben, im Grab. Auch wir beginnen vermutlich wie die Frauen, den Auferstandenen dort zu suchen, wo wir ihn zuletzt „gesehen“ haben. Als langjähriger Pastor verstärkte sich im Laufe vieler Jahre mein Verdacht, dass wohl die meisten Christen Jesus unter anderem im Gottesdienst „suchen“. Sie wollen dem Auferstandenen begegnen – durch Lieder, Gebete, Gemeinschaft, Predigt u. a. Und wir möchten, dass sich die Erfahrung wiederholt.

Nun können wir schon einige Wochen keinen Gottesdienst mehr besuchen. Im Gottesdienst, wie wir ihn in unserer Kirche gewohnt sind, können wir Jesus z. Z. also nicht finden. Vielleicht lohnt sich deshalb in der auferlegten „Gottesdienstabstinenz“ die ehrliche Frage: Habe ich überhaupt Jesus, den Auferstandenen, im Gottesdienst gesucht? Habe ich mir nicht nur selbst etwas vorgemacht? Ging es mir nicht eigentlich doch nur um die schönen religiösen Gefühle, die sich in dieser Atmosphäre (beim Singen u. a.) einstellen?

Oft suchen wir die Begegnung mit Jesus dort, wo wir ihn schon erlebt haben. Wir meinen, wenn wir Jesus an einem Ort, durch eine religiöse Übung oder etwas anderes erlebt haben, stehen die Chancen nicht schlecht, ihn dort wieder erleben. Und sind enttäuscht, wenn wir ihn dort nicht mehr finden. Die Frauen suchen Jesus dort, wo sie ihn zuletzt gesehen haben: in seinem Grab. Aber am Ort des Todes ist kein Leben zu finden!

Suchen wir nicht das Leben oft genug bei den „Toten“? Wir meinen, es sei Leben, wenn wir alle Gebote erfüllen; wenn wir alles richtig machen; wenn wir immer rechtschaffen leben; wenn wir uns nichts zu schulden kommen lassen; wenn wir tun, was Gott unserer Meinung nach will. Aber mit der Frage nach dem Richtigsein finden wir nicht ins richtige Leben, erfahren wir keine Auferstehung! Jesus zeigt dies sehr eindrücklich an der Geschichte von den zwei Söhnen (Lukas 15): Der ältere Sohn ist diesen Weg gegangen. Hat er das Leben gefunden? Hat er wirklich gelebt? Und sein jüngerer Bruder, der sein Vaterhaus hinter sich ließ, sein Erbe verschleuderte, ein zügelloses Leben führte – hat er gelebt?

Sich ausleben bis zum Umfallen; ohne Selbstbeherrschung leben; sich gehen lassen; sich den ständig wechselnden Launen überlassen (alles Dinge, die uns zurzeit laut Anordnung verwehrt sind!) – ist letztlich „Tod“. Dort können wir das Leben nicht finden – genauso wenig wie in selbstaufgelegter „Rechtschaffenheit“.

Im Bereich des Todes ist kein Leben zu finden. Das müssen auch die Frauen begreifen. Deshalb zeigen die beiden himmlischen Boten den Frauen einen Weg, wie sie den „Lebenden“ und damit das Leben finden können. Wie sie selbst zur Erfahrung der Auferstehung gelangen können. Sie verweisen die Frauen auf Worte Jesu: „Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: „Der Menschensohn muss den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen.“ Die Erinnerung an die Worte Jesu lässt die Frauen an die Auferstehung glauben. In den Worten Jesu finden sie das Leben! In den Worten Jesu erleben sie die Auferstehung ihres Glaubens mitten in der Krise!

Wenn wir uns an seine Worte erinnern, seine Worte in uns bewegen, sie in unser Lebenszentrum zurückbringen und sie in uns auferstehen lassen – dann geht uns das Geheimnis der Auferstehung auf. Und das kann auch ohne den gewohnten Gottesdienst mitten in einer Krisenzeit geschehen.

Wo suchst du das Leben? Wo suchst du den Lebenden, den Auferstandenen? Höre auf, den Auferstandenen und das Leben bei den Toten zu suchen, damit du vom Totsein ins Leben findest – ins Leben des Lebendigen, des auferstandenen Jesus Christus.

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Könnte es sein, dass auch bei dir, in deinem Leben so manches tot ist? Was solltest du endlich begraben, weil es längst tot ist und dich nur am Leben hindert?
Nimm dir Zeit. Schreibe alles auf, was tot ist in dir. Lege es symbolhaft in die Erde eines Blumentopfes und säe Blumensamen darauf. So kann auf dem Grab deiner Wunden und Verletzungen neues Leben keimen, wachsen und blühen. Die Blumen werden dich daran erinnern, dass du nicht immer neu im Grab deiner verwundeten Lebensgeschichten wühlen sollst. Sonst könnte nie etwas auf dem Grab deiner Vergangenheit zum Blühen kommen.
Es war einmal eine gläubige und fromme Frau, die Gott liebte. Jeden Morgen ging sie in die Kirche. Unterwegs riefen ihr die Kinder zu, Bettler sprachen sie an, aber sie war so in sich versunken, dass sie nichts wahrnahm. Eines Tages ging sie wie immer die Straße hinab und erreicht gerade rechtzeitig zum Gottesdienst die Kirche. Sie versuchte, die Tür aufzudrücken, doch vergebens. Sie versuchte es heftiger, aber die Tür blieb verschlossen. Der Gedanke, dass sie zum ersten Mal in all den Jahren den Gottesdienst versäumen würde, bedrückte sie. Ratlos blickte sie auf und sah genau vor ihrem Gesicht einen Zettel an der Tür. Auf dem stand: „Ich bin hier draußen!“ (Anthony de Mello)

Johannes Rosemann